Weltfrauentag 2019

Zum Weltfrauentag 2019
Frauen in die erste Reihe!

Julia Witthaus

„Girls To The Front!“, schrie Kathleen Hanna, Sängerin der Riot-Grrrl-Band Bikini Kill, Anfang der 90er Jahre in ihr Mikrofon. Frauen in die erste Reihe! Eine Forderung, an die wir am Internationalen Frauentag 2019 erinnern und der wir gerne Nachdruck verleihen wollen.

Kathleen Hannas wütende Agitationen richteten sich in den frühen Neunzigern gegen eine männlich dominierte Punk- und Underground-Szene, in der es jungen Frauen – ebenso wie in anderen Teilen der Gesellschaft – an Sichtbarkeit und Unterstützung für eigene (Musik-)Projekte mangelte. „DIY - Do it yourself“ bzw. „Lieber selber machen als zögern“ hieß ihre Ansage! Aus dieser Haltung heraus erwuchs mit einer Reihe sogenannter Riot Grrrl Bands eine feministische Musik-Bewegung, die fortan Unterdrückung, Missbrauch und Vergewaltigung von Frauen, aber auch fragwürdige Körperideale kraftvoll anprangerte. Neben Bikini Kill traten Babes In Toyland, L7, PJ Harvey und Hole aus dem Schatten des Jungsclub. Es galt, Frauen nicht nur in die erste Reihe bei Konzerten zu befördern, sondern sie zu ermutigen, selber Instrumente in die Hand zu nehmen und sich Gehör zu verschaffen – in der Musikbranche und darüber hinaus.

Die Vorbilder

Zu den Idolen dieser jungen, unangepassten Frauen zählten Janis Joplin und Aretha Franklin, aber auch Patti Smith, Joan Jett und Debbie Harry. Allesamt Künstlerinnen, die musikalisch herausstachen und die Aufmerksamkeit nutzten, um das vorherrschende Frauenbild neu zu definieren. 1968 war es Janis Joplin, die mit einer Urgewalt von Stimme und rauer, hemmungsloser Performance zur Leitfigur der sich gerade formierenden Frauenbewegung (Second-Wave-Feminismus) erkoren wurde. Zur gleichen Zeit verschaffte sich Aretha Franklin jede Menge „Respect“ (1967) mit einer Hymne, die den Frauen der Gegenkultur der 1960er aus dem Herzen sprach. Mitte der Siebziger Jahre trat Patti Smith ins Scheinwerferlicht - eine Singer-Songwriterin, Poetin und visuelle Künstlerin, die sich mit androgynem Look zur „Godmother of Punk“ entwickeln sollte. Mit ihr taten sich eine Reihe weiterer atemberaubender Frontfrauen hervor, darunter Pop-Punk-Ikone und Blondie-Sängerin Debbie Harry sowie eine der ersten weiblichen Rockstars, Joan Jett ("I Love Rock'n'Roll"), die damals mit der reinen Frauen-Combo The Runaways für Furore sorgte. Insbesondere Jett galt als große Inspiration für die Riot Grrrls der 90er, weshalb sie u.a. die Bikini-Kill-Single “NewRadio/Rebel Girl” produzierte.

Weibliche Popstars der 80er

Ob bewusst oder unbewusst ebneten all diese Frauen nicht nur den Weg für die weiblichen Alternative-Rock-Bands der 90er, sondern natürlich auch für die Popstars von den 80ern bis heute. Von Annie Lennox über Sade und Cyndi Lauper, Madonna bis hin zu Gianna Nannini erobern immer mehr Künstlerinnen die diversen Musikgenres, die auch in den Charts Anklang finden. Ihre ohnehin sagenhaften Stimmen nutzen sie neben dem Singen nicht selten, um sich politisch zu engagieren* oder sich zumindest - frei nach dem Motto „Girls Just Want to Have Fun“ - den Platz in der Musikgeschichte zu sichern, der ihnen zusteht.

[*In Anlehnung an ihren größten Hit „Girls Just Want To Have Fun“ änderte die Musiklegende Cyndi Lauper die Botschaft in „Girls Just Want To Have Fundamental Rights“ ab. Die starke Botschaft für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ziert jetzt T-Shirts und Pullover. Die Sängerin unterstützte damit das Charity-Auktionshaus Omaze.]

Musikalische Frauenpower heute

Heute sind es u.a. P!NKAlicia Keys, Beth Ditto und Beyoncé, die die Rolle der Frau in ihrer Musik zum Thema machen und neben einem neuen Feminismus auch für weitere politische Interessen einstehen. Während P!NK am liebsten am Stuhl des US-Präsidenten sägt ("Dear Mr President"/"What About Us?"), hat sich Beth Ditto vor allem Body Positivity und die Rechte der LGBTQ-Bewegung auf die Fahnen geschrieben. Alicia Keys und Beyoncé engagieren sich unterdessen u.a. für Organisationen wie „Black Lives Matter“ oder die Kandidatur von Hillary Clinton zur US-Präsidentin (man höre "Run the World (Girls)" von Beyoncé). Dabei geben beide das beste Beispiel dafür ab, dass man es auch als Lady im R&B und HipHop-Bereich zu wahrer Größe und Anerkennung schaffen kann.

Der lange Weg der Gleichberichtigung in der Musikbranche

Dass es auch heute noch unabdingbar ist, Frauen in der Musik zu fördern, zeigte eine Studie der BBC von 2017, welche die Headliner Acts britischer Festivals unter die Lupe nahm. Das wenig überraschende Ergebnis: Acht von zehn Künstlern, die auf den großen Open-Air-Bühnen auftreten, sind männlich – und das gilt nicht nur für die Musikszene in Großbritannien. Ein Umstand, dem sich u.a. Garbage-Frontfrau Shirley Manson und die spanische Indierock-Band HINDS gerne annehmen: Sie setzen sich als Botschafterinnen für die Keychange-Initiative der PRS-Stiftung für neue Musik und Talententwicklung ein. Ihr Ziel: Bis 2022 sollen weltweit alle an der Initiative teilnehmenden Festivals (darunter auch das Reeperbahn Festival) bei ihren Line-ups eine Quote von 50% weiblichen Acts erzielen.

Auch wenn sich schon viel über die Jahrzehnte getan hat, die Erbinnen der ersten Frauenpower-Garde dürfen nicht locker lassen: Nutzt eure Stimmen, um Musik zu machen und euch Gehör zu verschaffen - Frauen in die erste Reihe!

Was ihr tun könnt? Feiert mit uns nicht nur am Weltfrauentag, sondern auch an allen anderen Tagen, all die Musikerinnen, die sich unbeirrt ihren kreativen Weg nach vorne gebahnt haben.

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Mehr zum Thema Powerfrauen:
„Wie Frauen die Rockmusik eroberten“ bei den Kollegen von rock.de.
„Als die Frauen die Rockmusik retteten“ bei den Kollegen der SZ.

Lesetipp:

„Girls to the Front: The True Story of the Riot Grrrl Revolution“ (2010), Sara Marcus.

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