The Beatles: Fab Four

Frank Berzbach

»Good day, Sunshine ...«, so beginnen geglückte Tage. Ich stehe morgens auf, die Sonne knallt ins Zimmer, meine Freundin streckt sich nochmal. Ich gehe ins Wohnzimmer, öffne die schwarze Kiste mit den Studioalben der Beatles, ziehe eins heraus, lege es auf den Plattenteller und setze die Nadel auf: »Baby, you can drive my car ...«. 

Seit meiner Kindheit begleitet mich diese Band, und auch wenn ich viele Bücher über sie im Regal stehen habe, angeführt von ihrer großartigen Anthology, so höre und genieße ich vor allem ihre Musik. Es ist eine der ganz wenigen anspruchsvollen Bands, über die man nichts wissen muss, um sie zu lieben. Trotz meiner Sammlung von Beatles-Büchern habe ich also am Intellektualisieren und an philologischen Beatles-Studien wenig Interesse. Von der neuen, großen Paul McCartney Biographie von Philip Norman hält mich das allerdings nicht ab. Die Beatles bestanden aus vier genialen Männern, ohne die es die Popmusik so nie geben würde, und die im richtigen Moment, nach 13 Studioalben, mit einem Rooftop-Concert im Januar 1969 ihr Werk würdevoll abgeschlossen haben. Ihr perfektes Zusammenspielen, Zusammenkomponieren, Zusammenauftreten, ihr Stil und ihr Humor, überhaupt ihr Zusammensein war ein Glücksfall. Eins steht fest: Diese vier Kerle haben Spaß gehabt – glücklich gestimmte Menschen sind kreativer. Und dieses Schöpferglück hört man in jedem Song, sogar in den traurigen.

Trotz der Symbiose lohnt es sich, die Fab Four auch einzeln wahrzunehmen. Jeder von ihnen ist ein Lebenskünstler mit individuellen Eigenschaften. Ob für die englischen Kids, die Ringo Stars Songs schon im Kindergarten singen oder für Intellektuelle, deren Leben vom »Weißen Album« oder dem Künstlerpaar John Lennon und Yoko Ono verändert wurde; ob George Harrisons spirituelle Suche und sein Einfluss auf die Mode oder Paul McCartneys Kompositionen und sein Engagement für den Tierschutz. Der Film und auch ihr Album A hard days night hat mich schon als Kind glücklich gemacht. Allein der Titelsong war sehr einflussreich, er hat zum Beispiel den Ex-Kraftwerker Karl Bartos zum Musiker werden lassen, wie er in seiner Autobiographie Der Klang der Maschine erzählt. »Genau dieser Song veränderte mein Leben von einem Tag auf den anderen (...). Damals war ich zwölf Jahre alt, mitten in der Pubertät, und obwohl ich nur wenig Englisch verstand, sprach die Musik zu mir. Das war der Moment, in dem Klang für mich eine neue Bedeutung bekam und ich Musiker werden wollte.«, schreibt Bartos in seiner »Klangbiographie«.

 

Es ist eigentlich an der Zeit die alten und etablierten Klischees des Gegeneinander, des Entweder-Oder hinter sich zu lassen: Ich mag die frühe und die späte Phase der Band, trotz der großen Unterschiede. Ich glaube nicht, dass Yoko Ono die Band zerstört hat. Ich mag John Lennon und Paul McCartney. Ich mag die Beatles und die Rolling Stones. Obwohl ein Beatles-Song sein Leben verändert hat, war die erste Single, die der jugendliche Karl Bartos kaufte, »Get off of my cloud« von den Rolling Stones. Die Stones und die Beatles schätzten sich, ihre Mitglieder waren befreundet, beide Bands verstanden sich in den frühen Jahren einfach als Blues-Cover-Bands. (Die Rolling Stones sind zu diesem Ursprung mit einem grandiosen Cover-Album im letzten Jahr zurückgekehrt; ein reife und würdige Weise, zu altern.) Wenn es überhaupt Konkurrenz gab, dann zu den Beach Boys; es war allerdings ein sehr schöpferischer Wettstreit. Die Mythen der 1970er sind also lange überwunden, man darf zur Musik zurückkehren und wohlwollend urteilen. Es gibt Tage, da hört man Rubber Soul, an anderen hört man andere Alben, eigentlich gibt es für jeden Tag ein Beatles-Album und für jede Situation einen Beatles-Song. Und es gibt dieses Buch über die Botschaft der Beatles, von Steve Turner.

 

Turner widmet sich der »guten Botschaft« der Beatles, einer Band, die Popmusik nicht einfach als zerstreuende Unterhaltung praktizierte, sondern die eine Mission vertrat. In seinem Buch spürt er dieser Botschaft nach – »All you need is love« – und wertet sie in ihrer religiösen Dimension; trotz provozierender Aussagen und Distanz zur Amtskirche plädiert die Band für eine reflektierte Bewusstseinserweiterung, einer, die auf Drogen verzichtet. Insgesamt könnte man das auch Spiritualität nennen: die Bereitschaft und Fähigkeit, seine Wahrnehmung zu verändern. Ihr großer Einfluss beruht daher nicht nur auf der hohen Qualität ihrer Kompositionen, sondern auch auf tragfähigen Maximen, auf ihrer humanen Philosophy of life. »Der zentrale Rat der Beatles ist also immer, das Bewusstsein zu erweitern, die Augen zu öffnen (Dear Proudence), den Geist zu befreien und den Kopf zu verändern (Revolution), sehen zu lernen (Blackbird), eine andere Art von Geist zu sehen (Got o get you into my life), auf die Farbe der Träume zu lauschen (Tomorror never knows), über uns selbst hinauszusehen (Within you without you) oder einfach alles wahrzunehmen (Dig it).«, schreibt Turner.

Dass die Beatles die Pop-Art an die Popmusik angeschlossen haben zeigt sich im Konzeptalbum St. Peppers Lonly Hearts Club Band (1967). Die Geschichte der Band ließe sich auch visuell erzählen: über ihren Einfluss auf die Mode, vom Pilzkopf bis zu den Chelsea-Boots. Der Kunsthistoriker Walter Grasskamp hat allein dem Cover von St. Pepper ein Buch gewidmet, in dem er die vielfältigen Verzweigungen und Aspekte der Bildwelten entschlüsselt. Keine Ausstellung über Cover-Art kommt ohne dieses Cover und ihre persiflierenden Variationen, etwa von Frank Zappa, aus. Auch andere ihrer Cover sind zu Ikonen geworden, ob die Illustrationen auf Revolver oder der legendäre Zebrastreifen auf der Abbey Road.

 

In den letzten Jahren sind die Mono-Originalaufnahmen der frühen LPs wieder auf Vinyl greifbar. John Lennon betonte, man müsse ihre Musik in Mono hören, um sie zu verstehen; das hat viele zum Wieder- und Neuhören motiviert. Tatsächlich klingen diese in Mono aufgenommenen und erdachten Alben anders; der effekthascherische Stereo-Effekt nimmt einiges der Unmittelbarkeit. Im Gegensatz zu anderen Bands, etwa Pink Floyd, schienen die Fab Four am Stereo-Sound auch gar kein Interesse zu haben. Die frühen Beatles in Mono zu hören eröffnet einem den Zugang zur Absicht der Band: wir hören sie nun so, wie sie es wollten. Das klingt zentriert und kraftvoll, wie frischer Wind. Andererseits: So klingen die Songs immer; es ist, egal ob in Mono oder Stereo – eben Musik für den geglückten Tag!

 

 

--

 

Beatles hören:

Die »regulären« 14 LPs sind remastererd und in Stereo zusammen mit einem wunderbaren Buch in diesem Box-Set erhältlich:

The Beatles: The Beatles - Remastered Vinyl Boxset (180g) (Limited Edition) 

 

Das 11-LP-Monoboxset ist über discogs oder als Fundstück erhältlich.

 

Die unüberschaubare Welt ihrer Aufnahmen jenseits der 13 Studioalben erschließt sich am besten im vertrauten Plattenladen. Von den gängigen best-of-LPs (der „roten“ und „blauen“ Doppel-LP) bis hin zu Bootlegs, Singles und Sondereditionen einfach ins entsprechende Plattenfach schauen.

 

Beatles sehen:

2016 kam Eigth Days A Week  von Ron Howard in die Kinos, eine Kinodokumentation der Touring Years der Band. Der Film eröffnet einen Zugang zur Zeit und zeigt durch zahlreiche O-Töne die außerordentliche kulturelle Wirkung der Beatles. 

Hier geht's zum Film: 

The Beatles - Eigth Days A Week 

 

Beatles lesen:

Eine kurze Einführung bietet Peter Kemper im Reclam-Bändchen The Beatles. Steve Turner widmet sich in seinem Buch Die Beatles. Ihre Welt & ihre Botschaft (Johannis Verlag) etwas umfassender der Band. Voller autobiographischem Material und Texten der Fab Four selbst ist The Beatles Anthology (Ullstein Verlag), eine unerschöpfliche Quelle. Der Kunsthistoriker Walter Grasskamp untersucht das Cover von St. Pepper (Wagenbach Verlag) und Lars Saabye Christensen erzählt in seinem Roman Yesterday (btb Verlag) die Geschichte der Generation, die mit den Beatles aufwuchs. Philip Norman hat detailverliebte, umfangreiche Biographien über Paul McCartney (Piper Verlag), John Lennon (Droemer Verlag) und auch Mick Jagger (Droemer Verlag) geschrieben. Das Beatles Song-Lexikon von Ian MacDonald (Bärenreiter Verlag) ist nach Alben und Songs geordnet und bietet Besonderheiten und Hintergrundinformationen in musikwissenschaftlicher Manier. Karl Bartos erzählt in seiner hervorragenden Autobiographie Der Klang der Maschine (Eichborn Verlag) die bewegende Geschichte um die erste Beatles-Single, die ein englischer Soldat ins Wohnzimmer der Eltern brachte; kein Buch nur über Kraftwerkt, sondern eins über die Bedeutung von Musik generell.

 

Weitere News


Gitarren Klassiker

Jimi Hendrix, Joe Satriani, Roy Orbison

- MORE -

1968: 10 Alben, die Geschichte schrieben

Legendäre Longplayer und mehr Hits aus diesem Jahr

- MORE -
zurück