Nick Mason’s Saucerful Of Secrets: Live At The Roundhouse
Wiederaufleben der progressiven Pink Floyd-Phase

Es gibt viele Alben, auf denen Pink-Floyd-Songs in Live-Versionen zu hören sind, doch LIVE AT THE ROUNDHOUSE nimmt hier eine absolute Sonderstellung ein. Am besten stellt man sich die Reise in einer Zeitmaschine vor, die uns in die Anfangstage der Band zurückbringt. Kein anderer Mitschnitt der Originalband oder anderer Formationen, die sich Floyd-Songs widmen, atmet wie diese LP den Geist der frühen 70er. Nie war der ungeschliffene Sound der Anfangszeit mit seinen abenteuerlichen und spacigen Improvisationen auf einem Live-Album zu hören.

Nur vier der 22 Titel – "Astronomy Domine", "Set the Controls for the Heart of the Sun", "One of These Days" und "A Saucerful of Secrets" erschienen auf offiziellen Releases der Band oder eines ihrer Mitglieder. Die übrigen Tracks versammeln sich erstmals auf einem Konzertmitschnitt. So wird LIVE AT THE ROUNDHOUSE zu einer ungemein spannenden Hörerfahrung, auch deshalb, weil die LP eine Hommage an die Zeiten ist, als Syd Barrett noch zu der Combo gehörte und Rockbands die Grenzen des Genres neu definieren konnten.

Wer einen der Auftritte von Nick Masons Band miterlebt hat, wird bestätigen, dass es keine passendere Combo gibt, um die Musik von 1967-1972 zu performen. Trotzdem überrascht es, dass gerade Nick Mason für dieses brillante Album verantwortlich ist. “Meine Beziehung zu Syd war nie so eng wie die von David [Gilmour] und Roger [Waters]. Die drei kannten sich aus Cambridge und sogar Rick [Wright] hatte an einem seiner Solo-Alben mitgewirkt”, sagt der Schlagzeuger über sein Verhältnis zu Syd Barrett. “Ich war damals nicht an Bord. Umso seltsamer, dass ausgerechnet ich mich seinen Kompositionen widme.”

Über den Reiz, den diese Musik aufs Publikum ausübt, sagt der Drummer: “Manche Leute sagen: 'Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Stücke jemals live hören wurde!”. Hier spürt man die hohe Wertschätzung für Syd Barrett und sein Werk. Das Publikum schätzt auch die Freiheit, Songs nach eigenen Vorstellungen zu spielen und – verzeihen Sie die Ausdrucksweise – dabei auch mal zu verkacken. So ist das eben, wenn man experimentiert. Das ist wichtig, weil diese Einstellung heute aus fast allen Lebensbereichen verschwunden ist. Wenn du die Beziehung zum Zuhörer aufrechterhalten kannst, wenn sie das akzeptieren und ihnen die Idee gefällt, die dahintersteckt, dann bist du auf dem richtigen Weg.”

Der Anstoß zu dem Projekt kam vom ehemaligen Blockheads-Gitarristen Lee Harris. Er erkundigte sich beim langjährigen Pink-Floyd-Live-Bassisten Guy Pratt, ob Mason wohl Interesse daran haben könnte, die Songs live mit Band zu präsentieren, die bei den Shows der anderen früheren Bandmitglieder nie auf der Setlist standen. Pratt gefiel die Idee, machte Harris allerdings keine Hoffnungen. Pratt sollte sich täuschen, denn bald stießen noch Gitarrist Gary Kemp (Spandau Ballet) und Keyboarder Dom Beken zur Band und damit waren The Saucerful of Secrets geboren.

Die ersten, die vom Projekt erfuhren, reagierten verdattert – Gary Kemp macht auf Syd Barrett, geht's noch? Aber alle Zweifel wurden zerstreut, als die Band am 20. Mai 2018 im Londoner Dingwalls ihre Bühnenpremiere feierte. “Als wir anfingen zu spielen, hatte ich plötzlich ein Déjà-Vu. Es war aber nicht der Ort, der mir vertraut war, sondern die Begeisterung, die mich gepackt hatte.”

“Nick und ich war nur auf großen Bühnen gemeinsam aufgetreten”, sagt Pratt. “Ich habe ihn nie als einfachen Schlagzeuger einer Band wahrgenommen, für mich war er ein Teil einer monumentalen Institution.” Plötzlich sah ich ihn erstmals in einem neuen Licht und er war wieder der junge Typ, der 1966 im UFO Club auf der Bühne stand."

Gary Kemp sagt über seinen Job als Sänger der Band: “Es war einschüchternd, die Syd-Rolle zu übernehmen. Er hat den Status einer Legende. Aber ich glaube, es gab eine Verbindung zwischen uns bei, ein roter Faden verband uns beide mit Bowie, Ziggy Stardust und Johnny Rotten. Ich wollte nicht wie er klingen, konnte aber aus seinen Lyrics viel über seine Persönlichkeit herauslesen. Sie erzählen Geschichten in der ersten Person und beschreiben dadurch Syds Charakter sehr anschaulich.”

Nach nur fünf Bandproben ging es auf die Bühne des Dingwalls und das Publikum erlebte dabei eine klassische Garagenband. Der Mitschnitt aus dem Roundhouse, der fast genau ein Jahr später, nach einer Europa- und US-Tournee entstand, ist dynamischer und vielschichtiger. “Die Show ist in ständiger Bewegung”, sagt Beken, “und sie wird von Mal zu Mal besser. Wir optimieren sie ständig.” Mason ergänzt: “Wenn man unsere Entwicklung als Live-Band in einer Linie darstellen wollte, würde sie vom ersten Gig bis zur Aufnahme im Roundhouse stetig ansteigen.”

Man merkt den Musikern an, dass sie ihren Job mit wahrer Leidenschaft ausüben. Sie interagieren auf der Bühne, geben den Songs überraschende Wendungen – bei riesigen Floyd-Produktionen vor Myriaden von Menschen ein Ding der Unmöglichkeit. “Deshalb macht es soviel Spaß”, sagt Mason, “Und wenn du genau weißt, dass die anderen auf deine Zeichen reagieren, erhöht das die Risikobereitschaft etwas Neues zu versuchen. Bei einem Direktvergleich unserer Shows würden die kuriosen Einfälle und Unterschiede auffallen. Auch wenn sich die Songstruktur oder die Länge des Tracks nicht verändern, gibt es neue Drum-Fills oder eine Veränderung am Keyboard.”

Die Band traf einen Nerv beim Publikum. Beken erinnert sich an einen Fan in Luxemburg, der ganz speziell auf den Sound reagierte, “Der Typ trug eine Elton-John-Brille, nicht gerade der neuste Trend. Wir spielten gerade Atom Heart Mother, da kniet er sich hin und tut so, als würden ihm die Wundmale aufbrechen.” Harris ergänzt: “Du performst einen Titel wie Saucerful of Secrets, den jemand im Zuschauerraum seit 40 Jahren nicht mehr gehört hat. Die Akkorde sind wunderschön und das Stück bewegt die Leute. Wenn ich es ausklingen lasse und dabei jemand anlächle, kann es sein, dass er derart in den Sound versunken ist, dass er nicht auf mich reagiert. Was für eine unfassbare Komposition!”

“Die Beziehung zwischen der Band und Publikum ist auf kleinen Bühnen viel enger. Dort hast du auch Kontakt mit den Zuhörern, die ganz hinten stehen”, sagt Mason. “Eine Stadion-Show ist viel aufwändiger und ich glaube, dass die Zuschauer dort gar nicht so genau mitbekommen, ob der Gig gut oder schlecht ist, weil sie von dem ganzen Spektakel abgelenkt sind.”

Der Auftritt im Roundhouse hat Masons Appetit auf weitere Tour-Abenteuer geweckt. Es soll also niemand auf die Idee kommen, dass Saucerful of Secrets mit den 22 Tracks des Albums einen Schlusspunkt setzen. Ganz im Gegenteil – es ist der Anfang einer neuen Geschichte, denn es gibt für die Combo noch viel zu tun. Die Ära vor 1972 haben sie noch lange nicht komplett abgedeckt, es warten noch einige Songs darauf, aus der Schublade geholt zu werden. Meddle wäre hier ein gutes Beispiel, mit dem epischen Ausnahmetrack Echoes und auch Atom Heart Mother könnten sich die Herren noch weiter widmen. Vielleicht sogar Dark Side of The Moon, als das Album noch Eclipse (A Piece for Assorted Lunatics) hieß? Nick Mason sieht die Sache so: “Wer weiß – wir haben knapp 15% der Songs im Programm. Wir könnten Meddle ins Auge fassen und weitere Songs von Piper at the Gates of Dawn.”

Gute Aussichten für Pink Floyd-Fans!

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